Die Krise in der Krise Drucken

 

 

Mit den Eikonal-Veröffentlichung von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung wurde ein neuer Höhepunkt im Überwachungsskandal in Deutschland erreicht. Zeitgleich fährt der Widerstand gegen Überwachung sein prominentestes Aushängeschild gegen die Wand - die jährliche Demo 'Freiheit statt Angst' wird es nicht mehr geben.

 

Damit ist auf jeden Fall der Beweis erbracht, dass die NGOs gegen Überwachung unfähig sind, die aktuelle Faktenlage in ein Konzept für eine politische gesellschaftliche Bewegung umzusetzen. Über die ritualisierten Demos hinaus war schon seit längerem kreative Leere zu erkennen - und die hohe Taktung von Camps und Kongressen haben die politische Blutleere lediglich nur maskiert.

Nun also der unverstellte Blick auf ein Trümmerfeld des Widerstandes, der eben das entscheidende nicht geleistet hat: politisch relevant zu sein. Da bleiben die Bürgerinnen und Bürger dann nur Zaungast bei dem Kampf um Freiheit und bewundern entweder die politischen Reibereien in Ausschüssen oder die sprachliche Eleganz von Blogs und Online-Literatur - und das war es dann.

Auch die bisherigen Ansätze, wenigstens über die Nerd-Blase hinaus 'normale' Menschen anzusprechen, versackt vollständig und demonstriert nur noch Hilflosigkeit, die noch erschreckender wird, wenn man sich die aktuellen Mobilisierungszahlen zu TTIP anschaut: Millionen Menschen auf den Straßen und über 500.000 Unterschriften für die Bürgerinitiative in nur vier Tagen!

Es gibt ja schon auch in der Überwachungs-NGO-Szene genügend Appelle, was man anders machen könnte:

"Angesichts der Untätigkeit und Vertuschung der Regierung trotz NSU, NSA und Snowden, müssen wir jetzt mal eine demokratische Schippe drauflegen. Wir müssen endlich über zivilen Ungehorsam nachdenken. Über die politische Praxis von Martin Luther King, von Mahatma Gandhi, von Rosa Parks. Über den zivilen Ungehorsam der Anti-Volkszählungsbewegung. Über dieses wunderbare Mittel des Protests."

Doch es ist zu befürchten, dass auch hier wieder einmal nichts passieren wird, weil man einfach unfähig ist, gemeinsam dezentrale Aktionen auf die Beine zu stellen.

Einfaches Beispiel: Seit Monaten werden wir von der Regierung aus CDU, CSU und SPD nach Strich und Faden belogen, aber nicht eine Mahnwache oder Wahlkreisbüro-Besetzung hat stattgefunden. Warum eigentlich? Niemand hat dazu aufgerufen, den Abgeordneten mal direkt vor Ort die Meinung zu sagen. Alles bleibt lieb und still im wohlgeordneten Fahrwasser der abgezäunten, martkonformen Demokratiespielfläche.

Wir müssen uns alle einmal fragen, ob wir das Thema 'Überwachung' wirklich für so wichtig halten, wie wir in Reden, Blogeinträgen und Tweets immer gern herauszustellen. Und wenn es uns so wichtig ist, wären wir bereit, mehr einzusetzen, als ein paar Elektronen Richtung 'twitter.com'? Bei den Atomkraftgegnerin hieß es 'Atomausstieg ist Handarbeit', als sie sich mit Gleisblockaden gewehrt hatten, und jeder  konnte sehen, wie ernsthaft diese Menschen Widerstand geleistet haben.

Von dieser Ernsthaftigkeit und Bereitschaft zur politischen Auseinandersetzung ist der Widerstand gegen Überwachung meilenweit entfernt - und das ist meiner Meinung nach das Hauptproblem!

 

 

Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 12. Oktober 2014 um 20:21 Uhr