Haben wir versagt? Ja! Drucken

Seit dem Fall von Ost-Aleppo und den Bildern von den Greuel-Taten des Krieges aus der syrischen Großstadt steht die westliche Welt wieder einmal vor den Trümmern ihrer werteorientierten Außen- und Sicherheitspolitik. Doch im Gegensatz zun Kriegen im ehemaligen Jugoslawien oder im Kosovo hat nun nicht nur die Politik, sondern auch die Zivilgesellschaft versagt. Statt sich uneingeschränkt auf die Seite der Opfer zu stellen, wird unter dem Eindruck massiver Propaganda der Wahnsinn des Krieges 'Jeder-gegen-Jeden' relativiert, banalisiert, marginalisiert.

In zahlreichen Artikeln quer durch die Presselandschaft wird das Versagen von Politik, Zivilgesellschaft und Friedensbewegung angepangert:

Aktuell hält Karen Krüger in der FAZ den westlichen Zivilgesellschaften ihr Versagen vor Augen:

"Die Generation Syrien, von der hier die Rede sein soll, das sind Politiker und Nicht-Politiker, die in Sicherheit und relativem Wohlstand leben. Erst jetzt, da es zu spät ist, bekundet sie angesichts der Tragödie von Aleppo Entsetzen. Warum fanden sich nicht schon früher Menschen zusammen, um wenigstens Solidarität und Mitgefühl zu zeigen?
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Doch wer damals aus Aleppo um Hilfe rief, wurde zumindest von einem Großteil der linken Öffentlichkeit als mutmaßlicher Islamist abgetan - Syrien ist nicht nur fern, sondern für viele vor allem ein Land des Islams, weshalb allem, was von dort kommt, mit Misstrauen begegnet wird."

Krüger führt im Laufe des Artikels schlüssig aus, dass die autoritären Regime in der Türkei, in Syrien und in Russland die zentrale Schwäche der westlichen Demokratien erkannt haben und nun brutal ausnutzen - die Verehrung für den starken Führer. Infiziert von diesem Virus sind dabei nicht nur die Gesellschaften in diesen 'failed States', sondern auch eigentlich stabile Demokratien wie USA, Großbritannien, Frankreich, Österreich und Deutschland.

In diesen westlichen Staaten ist die Fähigkeit, sich für Frieden zu engagieren und auf die Straße zu gehen, komplett gegen Null gesunken. Die Wahrnehmung von Fakten und Nachrichten ist längst einem Bauchgefühl gewichen, das sich nur noch in Echokammern vergewissert, die von Propaganda-Maschinen befeuert werden. Zynismus hat als vorherrschendes Lebensgefühl den solidarischen Gemeinsinn abgelöst und damit einer wertelosen Gesellschaft das Feld bereitet. Im Ergebnis ist eine neue Dimension der Wohlstandsverwarlosung der Ersten Welt zu beobachten.

Über diese 'Generation Syrien' in den westlichen Demokratien schreibt Krüger abschließend:

Und sie sollte jetzt, da die persönlichen Nachrichten aus Syrien nach der vollständigen Eroberung von Aleppo zwar weniger werden, aber sicherlich nicht ganz abreißen, sich klarmachen, dass mit der medialen Teilhabe an dem Krieg, diesem Mitwissen an begangenen Verbrechen, auch eine neue Form der Verantwortung verbunden ist. Egal, aus welchem Teil der Welt die Botschaften kommen.

Teilhabe als Verantwortung - etwas, was in den Sozialen Netzwerken immer negiert und mit Hass attackiert wird. Auch in einem Deutschland, das als drittgrößter Waffenexporteur der Welt gelistet ist. Krügers Position der weitergefassten 'informationellen Teilhabe', die ebenso wie die materielle Teilhabe durch Waffenhandel zu Verantwortung führt, sollte eigentlich in einem christlich geprägten Abendland nicht zur Disposition nehmen. Welch dramatische Koinzidenz, dass dieses Abendland gerade dann zerfällt, als deren Verteidiger im Machtrausch die Fußgängerzonen erobern.

Was bleibt, sind Likes und Emoticons als Ersatzhandlung einer 'Generation Syrien', deren zynischer Blick auf das weltweite Geschehen bereits die nächsten Massaker möglich macht. Und das wahre Elend dieser Welt schafft es nicht mal mehr in die Jahresrückblicke, weil die Grausamkeit dieser Bilder die Werbekunden abschreckt.

 

Zuletzt aktualisiert am Montag, den 19. Dezember 2016 um 17:24 Uhr