Offener Brief an Rehbaum (MdL, CDU) - Taten statt Phrasen Drucken

Nur wenig Stunden nach der Veröffentlichung zu den würdelosen Zuständen bei Eurobahn (Keolis) und National Express hat sich Henning Rehbaum, Mitglied des Verkehrsausschusses im Landtag Nordrhein-Westfalens, zu Wort gemeldet mit einer Presseerklärung. Form und Inhalt der Antwort auf die Kritik fordern eine Stellungnahme geradezu heraus. Daher nun ein weiterer Offener Brief zu dem Versagen der Verkehrspolitik.


Sehr geehrter Herr Rehbaum,

als ich die Antwort aus Ihrem Büro nur wenige Stunden nach meiner Mail im Posteingang vorgefunden hatte, habe ich mich zunächst gefreut. Doch die Freude wich rasch einer Enttäuschung, so dass ich mich hier nicht für die Antwort bedanke.

Im Gegenteil: Die Antwort aus Ihrem Büro zeigt brennglasgleich, wie verantwortungsvergessen und abgehoben Politikerinnen und Politiker agieren, die längst nichts mehr mit den Alltagssorgen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu tun haben wollen. Dieses Urteil ist hart, das gebe ich gerne zu, aber überaus berechtigt, wie ich im Folgenden aufzeigen werde.

Zum einen erhielt von Ihrem Büro keineswegs eine persönliche Antwort auf meine Kritik. Ihr Mitarbeiter oder Ihre Mitarbeiterin hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, eine Anrede in die Mail zu schreiben. Selten habe ich mich von der Antwort eines Politikers bzw. einer Politikerin derart gedemütigt gefühlt wie in dem Moment, als ich die Mail aus Ihrem Büro öffnete und darin nicht mehr fand als eine anonyme Presseerklärung. Diese Art der Antwort zeigt nur allzu deutlich, dass es Ihnen weder um die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger noch um eine Diskussion auf Augenhöhe geht. Das formale Ziel der Reaktion aus Ihrem Büro war das eine: die Verantwortung beiseite zu schieben.

War schon die Form der Antwort ein Grund zum Ärgernis, setzte sich dieser Eindruck beim Inhalt ungebrochen fort. Die Argumentation in dem Schreiben aus Ihrem Büro macht nur allzu deutlich, warum die Union vom bayrischen Verkehrsminister bis zum Düsseldorfer Verkehrsausschuss die Axt an den öffentlichen Personennahverkehr legt und damit die Zukunftsfähigkeit Deutschland willfährig preis gibt:

- Ersatzverkehr:
Ihre Forderung, dass zur Beseitigung aktueller Missstände ein Ersatzverkehr mit Bussen bereitgestellt werden sollte, zeigt nur, wie wenig Sie sich mit dem Alltag der Menschen befassen. Für einen Bus ist es in der Hauptverkehrszeit zwischen 7 und 9 Uhr unmöglich, auch nur annähernd zeitnah den Bahnhof vom Münster zu erreichen. Die Fahrtzeit würde sich schlichtweg verdreifachen (min. 45 Minuten statt 15 Minuten von Drensteinfurt). Es verschlägt einem geradezu den Atem, wie weltfremd Sie hier unsinnige Lösungen als Politikersatz anpreisen.

- Sozialticket:
Sie, Herr Rehbaum, kämpfen seit Jahren gegen das Sozialticket und für die Umwidmung des Landeszuschuss zu diesem Projekt in Infrastrukturmaßnahmen - insbesondere in den Straßenbau.

Ich zitiere aus Ihrer kleinen Anfrage vom 15.01.2016: "Mit einem Volumen von 30 Mio. Euro ist das Sozialticket ein enormer Kostenpunkt im Landeshaushalt. ... Eine Erfolgsgeschichte jedoch sieht anders aus: Lediglich 290.000 Nutzer hat das Ticket bislang gefunden. Jedes wird somit vom Land mit rund 104 Euro subventioniert. Ein wirkungsvoller sozialpolitischer Effekt ist nicht erkennbar."

Ich zitiere den Änderungsantrag der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Verkehrsausschuss (Drucksache 16/1482), den Sie gestellt haben: "Es besteht ein nachweisbar größer werdender Bedarf für Erneuerungsinvestitionen und die Landesregierung kürzt die Finanzmittel. Die Kürzung ist daher abzulehnen. Zur Gegenfinanzierung sollte auf das nur schwach frequentierte Sozialticket, das dem Land Kosten in Höhe von 30 Millionen Euro verursacht, verzichtet werden."

Nur der massive Widerspruch der Zivilgesellschaft konnte verhindern, dass Sie Ihre unsozialen Ziele durchsetzen konnten. Und bereits jetzt arbeiten Sie weiter daran, die Teilhabe aller Menschen an Mobilität zu hintertreiben. Falls Sie es bisher nicht erlebt haben, hier die Realität an Rhein und Ruhr: Nur die massive Nutzung des ÖPNVs verhindert aktuell den vollständigen Verkehrskollaps in den Städten NRWs. Es müsste das höchste Ziel jeder Landesregierung sein, so viel wie möglich Verkehr zu verlagern auf Busse, Bahnen und Fahrräder.

- Zweckverbände:
Die Klagen über die Vergabepraktiken in den Zweckverbänden sind seit Jahren bekannt und dürften im Verkehrsausschuss bereits einige Akten füllen. Auch zu der Regierungszeit von CDU und FDP in NRW hat sich daran nichts geändert. Die Qualität eines Bewerbers um Transportleistung spielt schlichtweg keine Rolle. Es ist ein Skandal, dass ein Unternehmen wie Keolis (Eurobahn) neue Strecken zugesprochen bekommt, obwohl bereits aktenkundig ist, dass das Unternehmen bei der Transportqualität versagt.

Diesen Missstand, Herr Rehbaum, haben insbesondere Sie als Mitglied des NRW-Verkehrsausschusses mit zu verantworten.

Ihre Partei, die CDU, ebenso wie SPD und FDP, weigert sich, harte Strafen und Ausschluss vom Wettbewerb gegen vertragsbrüchige Unternehmen durchzusetzen. Ihre Partei, die CDU, weigert sich, einen angemessenen Mindestlohn einzuführen, um so die Berufe im ÖPNV attraktiver zu machen. Ihre Partei, die CDU, weigert sich, in die Infrastruktur ausreichen zu investieren, um die Basis für die geforderte Transportqualität zu setzen.

- Strategische Verkehrspolitik:
Es kommt einem Offenbarungseid der CDU/CSU-Verkehrspolitik gleich, dass der VW-Chef Müller höchstselbst ein Tempolimit, eine blaue Plakette und ein Ende der Dieselsubventionen fordern muss. Sie, Herr Rehbaum, unterstützen eine ideenlose, unsoziale und zukunftsgefährdende Verkehrspolitik. Sie setzen auf Straßenausbau statt auf eine konsequente Förderung von Bahn, Bus und Fahrrad. Sie tragen so wesentlich dazu bei, dass in den Städten NRWs regelmäßig der Verkehrsfluss kollabiert. Zur Erinnerung - am Ende der Rüttgers-Jahre im Februar 2010 hat Pro Bahn NRW festgestellt: "Die Mittel für ÖPNV-Investitionen im Lande wurden in den letzten Jahren merkbar reduziert, während gleichzeitig der Erneuerungsbedarf der bestehenden Infrastruktur stark anstieg." Sie und Ihre Partei nehmen damit ganze Bevölkerungsteile in Haft für ihre ideologisch aufgeladene Fixierung auf den Individualverkehr und die 'schwarze Null' im Staatshaushalt.

- Zukunftsinvestitionen:
Die Auswirkungen der ideologischen Denkblockaden werden im Spannungsfeld 'Sozialticket', 'Staatshaushalt' und 'Zukunftsinvestitionen' besonders deutlich. Ihre Ideen zum Einsparen des Sozialtickets tragen weiter dazu bei, die Gesellschaft in Abgehängte und Wohlhabende zu spalten. Sie haben keine Vision, wie eine gerechte, zukunftsfähige und effiziente Mobilität in den Stiel gestoßen werden kann. Sie weigern sich, die Kosten für den Individualverkehr auf die Verursacher umzuwälzen in der Hoffnung, dass Sie damit Ihr Wahlklientel nicht vergraulen. Der bereits oben erwähnte Vorstoß von VW-Chef Müller macht deutlich, wie absurd unsinnig diese Politikverweigerung ist - und dass damit die Zukunftsfähigkeit Deutschlands hintertrieben wird.

Herr Rehbaum,

von Ihnen als Verkehrspolitiker erwarte ich, dass Sie sich endlich aus Ihrer Wagenburg aus Phrasen und Fraktionszwang heraus trauen. Lassen Sie endlich Ihre Denkblockaden, die alleine auf einer fehlgeleiteten Ideologie gründen, hinter sich. Kümmern Sie sich um die Alltagssorgen der Menschen, denn es ist Ihre Aufgabe, mit Blick auf die Zukunft das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.

Diese Ziele erreichen Sie nicht mit Presseerklärungen, sondern mit mutigen Taten, auch gegen den Mainstream in Ihrer Partei. Bedenken Sie: Für was sind Sie denn sonst gewählt worden als für mutiges Handeln im Sinne des Allgemeinwohls?


Gruß

Jürgen Blümer

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 12. Dezember 2017 um 08:41 Uhr