Sieg zweiter Klasse Drucken

Der letzte Versuch der Vorratsdatenspeicherung von CDU / CSU / FDP ist nicht politisch gestoppt worden, sondern scheiterte an der deutschen und europäischen Rechtsprechung. Was zunächst als großer Erfolg für die Bürgerrechte gefeiert wurde, entpuppt sich aber mehr und mehr als 'Sieg zweiter Klasse'.  Denn trotz eindeutiger Mehrheiten gegen zusätzliche digitale Überwachung steht der massenhafte Zugriff auf Daten von Bürgerinnen und Bürger wieder auf der politischen Tagesordnung.

In der aktuellen Diskussion zur Vorratsdatenspeicherung wird en passant eine entscheidende Schwäche der digitalen Bürgerrechtsbewegung offen gelegt: die mangelhafte politische Durchschlagskraft. Um die geringe politische Bedeutung der digitalen Bürgerrechtsbewegung einordnen zu können, können gerade die Urteile aus Deutschland und Straßburg  ein entscheidender Schlüssel sein. Oder anders formuliert: Sind vielleicht gerade die höchtsrichterlichen Absagen an Vorratsdatenspeicherung und Überwachung eine der Ursachen, warum der Widerstand gegen Überwachung politisch nahezu bedeutungslos ist?

Zum Vergleich seien hier wieder einmal die Anti-AKW-Proteste als eine der politisch erfolgreichsten Kampagnen innerhalb der Umweltbewegung herangezogen. Trotz härtester Auseinandersetzung auf allen ebenen der Gesellschaft ist es nicht gelungen, die Atomenergie richterlich abzuschalten. Es gab eine Vielzahl von Urteilen, die einzelne Baugenehmigungen wohl begründet entzogen oder Auflagen verschärften. Doch grundsätzlich hielt die Nutzung der Atomenergie vor Gericht stand.

Aus diesen Niederlagen heraus entwickelte sich innerhalb der Umweltbewegung eine klare politische Strategie: Es muss eine Mehrheit im Land gefunden werden, die aus der Atomenergie aussteigen und die Energiewende umsetzen will. Hinter diesem politischen Ziel konnten sich alle großen und kleinen Umweltgruppen zusammenfinden. In diesem Bündnis gelang es, den Ausstieg aus der Atomenergie zwei Mal politisch durchzusetzen - das zweite Mal sogar unter einer schwarz-gelben Regierung, die angetrieben von Machtverlust-Ängsten den Willen der Mehrheit umsetzte. Dass bei dieser Umsetzung fahrlässig geschlammpt wurde, ist ein anderes Thema.

Beim Widerstand gegen Vorratsdatenspeicherung und Überwachung haben wir aktuell eine ganz andere Situation. Die BürgerrechtlerInnen sehen sich auf der richtigen Seite stehen - denn sie haben sowohl die aktuelle Rechtsprechung als auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Trotzdem kommt es regelmäßig zu Forderungen aus dem politischen Raum vom rechten Rand der CSU bis tief in die SPD hinein, den Überwachungsstaat inklusive der Vorratsdatenspeicherung massiv auszuweiten.

'Deutschland denkt links und wählt rechts'. Diese Aussage von Jürgen Trittin ist nirgendwo so augenfällig zutreffend wie im Bereich Überwachung. Der digitalen Bürgerrechtsbewegung gelingt es offensichtlich nicht, die gesellschaftliche Grundhaltung in eine politische Artikulation zu transformieren. Ursache dafür könnte eben genau die Haltung sein, dass man sowieso schon auf der richtigen Seite steht, die Rechtsprechung auf seiner Seite hat und die Argumente so einleuchtend sind, dass nur Dummheit und Ignoranz eine andere Haltung erklären können.

Doch kann man so politische Mehrheiten organisieren? Die Einstellung des 'Ich habe sowieso Recht' ist eine nerdige Grundhaltung, die im gesellschaftlichen Diskurs kontraproduktiv wirkt. Wo es der Umweltbewegung stets darum ging, nicht nur Recht zu behalten sondern auch politische Mehrheiten zu organisieren, verharrt die digitale Bürgerrechtsbewegung in der Pose streberhafter Rechthaberei.

Das Ergebnis ist nun, dass es einer Partei wie der SPD gar nicht einfällt, auf eine Vorratsdatenspeicherung zu verzichten, da auf dieser gesellschaftlichen Ebene eben nicht mit organisiertem politischen Widerstand zu rechnen ist. Wo sich die digitale Bürgerrechtsbewegung nur auf Argumente und eine letztinstanzliche Rechtsprechung verlässt, muss die Rolle des Widerstands im Raum der politischen Auseinandersetzung notgedrungen von der Mini-Opposition aus Linken und Grünen besetzt werden. Das Mandat, dass eine digitale Bürgerrechtsbewegung zweifellos innehat, wird so fahrlässig und zum Schaden des Gemeinwesens aus der Hand gegeben.

Das Wissen um die Kavallerie in roten und schwarzen Roben, die am Ende des Westerns eben doch die Kohlen aus dem Feuer holt, behindert die digitale Bürgerrechtsbewegung, sich konsequent und gemeinschaftlich als ernsthafter politischer Akteur auf die Bühne der Diskursgesellschaft zu stellen. Alle Bemühungen, Themen und Akzente in den Medien und bei politisch Handelnden zu setzen, müssen leerlaufen, solange der Wille zur politischen Tat nicht spürbar ist - und zwar konsequent im alltäglichen handeln. Genau dies aber kommt über wohlmeinende Ansätze bisher nicht hinaus.

Doch für einen politischen Sieg reicht ein 'Sie hat sich bemüht' eben nicht aus!

 

 

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 24. März 2015 um 08:39 Uhr