Cyberspace-Meltdown - Fragen vom linken Rand des Überwachungsstaats Drucken

Nach der Zustimmung der SPD zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) überschlagen sich die Ereignisse - und werfen Fragen auf. Das ist sehr nett zu lesen. Interessant ist aber die Reaktion der Netzgemeinde auf den kapitalen digitalen Kontrollverlust.

Am 29.06. beginnt für die Netzpolitiker bei den Sozialdemokraten eine neue Zeitrechnung: Es soll dann auf #digitalLEBEN über ein digitales Grundsatzprogramm diskutiert werden. Man muss schon diese sozialdemokratische Planung bewundern, mit welcher Unverdrossenheit hier Durchhalteparolen ins Netz gestellt werden - nach der Preisgabe der Freiheit im Internet durch den SPD Parteikonvent am 20.06. .

Doch ein wahrer Kern ist auch in dieser kafkaesken Website vom linken Rand des Überwachungsstaats enthalten. Und über den lohnt es sich wirklich nachzudenken. Hier ein Potpourri der wichtigsten Problemfelder, über die sich der Normal-Genosse auch in Castrop-Rauxel mal Gedanken machen sollte:

- Wenn nun der Bundesinnenminister bereits die VDS für die Verfolgung von Einbrüchen einsetzen will, macht es nicht auch Sinn, den Schulbesuch von Kindern per Smartphone und VDS zu kontrollieren, wo doch schon im zarten Alter von drei Jahren die Erstandockung an das Internet beginnt?

- Wenn nicht einmal vitale Daten der US-Regierung oder das Rechnersystem des Bundestags sicher vor Datendiebstahl sind, welchen Sinn machen da eigentlich noch aufwendige Gesetzgebungsverfahren zu Datenschutz und Datensicherheit?

- Ist es nicht sozialverträglicher, angesichts der immensen Probleme mit der Gesundheitskarte die vorgesehenen Krankeninformations-Datenbanken direkt für alle als OpenData zur Verfügung zu stellen, um damit ganz neue digitale Wertschöpfungsketten zu implementieren, die dann auch für neue Arbeitsplätze sorgen?

- Angesichts der überragenden Fähigkeiten der NSA, die gerade wieder bei der Ausspähung der französichen Staatsführung demonstriert wurden, sollte die Bundesregierung nicht über eine Mietlösung mit den Amerikanern verhandeln anstatt selber Software für die VDS entwickeln zu lassen?

- Daran schließt sich die Frage nahtlos an, in wie weit sich ein eigenständiger Geheimdienst überhaupt noch als sinnvoll erweist und ob unter den gegebenen Umständen der Neubau des BSI in Berlin nicht gestoppt werden sollte, um stattdessen den Einsatzort der Internet-Schnüffler  direkt nach Utah zu verlegen?

Interessanterweise treiben diese Fragen nicht nur die Basis der SPD um. Auch die Bewohner von Neuland setzen sich mit diesen Fragen auseinander und sind dabei, zwischen Tweets und Blogs ein eigenes Paralleluniversum der Widerstandskultur zu etablieren. An diesem seltsamen Ort blitzen in Zeiten nachrichtentechnischer Erregung immer wieder Forderungen nach 'zivilem Ungehorsam' auf. Glücklicherweise ist diese Stufe der Radikalisierung der 'Club-Mate'-Nerd-Fraktion unter der Wahlbevölkerung so unwahrscheinlich wie die Alien-Invasion von Proxima Centauri. Und so versickert diese Aufwallung von Zivilcourage und gesellschaftlicher Verantwortung rasch wieder im steten Strom unverbindlicher Allgemeinplätze zum totalen Überwachungsstaat.

Der Mensch am SPD-Grill in Castrop-Rauxel ist da längst einen Schritt weiter. Denn solange es noch eine vermeintliche Wurst zu drehen gibt, hat niemand etwas zu befürchten, der sich um das Verbergen von Freiheiten keine Gedanken macht.

 

 

Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 24. Juni 2015 um 17:07 Uhr