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Die ewige Kanzlerin PDF Drucken E-Mail

Die Süddeutsche Zeitung schreckt Deutschland mit der Veröffentlichung einer Wahlumfrage auf: Sollten aktuell Bundestagswahlen stattfinden, würde die Union die absolute Mehrheit der Mandate erhalten. Ursache für den Erfolg von CDU und CSU: Merkel! Die Mehrheit der Deutschen sei mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden. Ironie, Wahnsinn, Hybris? Nein - bittere Wahrheit in Deutschland Anno 2015.

Dieses Ergebnis eines starken CDU/CSU-Rückhalts in der Bevölkerung verblüfft auf den ersten Blick. Denn immerhin ist die Griechenland-Euro-Krise nach wie vor nicht gelöst. Im Mittelmeer ertrinken weiterhin Flüchtlinge, in Deutschland werden deren Zugfluchtstätten in Brand gesteckt. Die Menge der hilfsbedürftigen Menschen überfordert die unvorbereiteten Staatsorgane, so dass nur noch Dank der Arbeit von Ehrenamtlichen eine menschenwürdige Versorgung möglich ist.

Mit der Kriegserklärung des NATO-Verbündeten Türkei sowohl an die IS als auch an die Kurden eskalieren nicht nur die Bürgerkriege in der Ost-Türkei, in Syrien, Nordirak und Nordiran. Die deutsche Außenpolitik, die vor kurzem noch auf eine Bewaffnung der gerade jetzt attackierten Kurden gesetzt hat, ist von einem Tag auf den anderen ad absurdum geführt worden. Die Reaktion aus Deutschland und Europa - Sprachlosigkeit.

Innenpolitisch steht die große Koalition nach dem Maut- und Erziehungsgeld-Desaster vor einem Scherbenhaufen. Selbst der eigentlich erfolgreiche Mindestlohn wird von der Union immer wieder attackiert. Und Großprojekt wie Gesundheitssystem und Energiewende versacken im Unfähigkeits-Sumpf.

Krönung des ganzen Desaster der Großen Koalition ist der politische Komplex der Geheimdienste und Massenüberwachung. Noch immer kann nicht geklärt werden, wie stark der Verfassungsschutz sich zum Mittäter bei den Verbrechen des NSU gemacht hat. Die Massenausspähung durch ausländische Geheimdienste geht ununterbrochen weiter. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, das Parlament als Verfassungsorgan vor den Angriffen aus dem Internet zu schützen. Und aktuell verschwenden Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft als politische weisungsgebundene Bundesbehörden ihre Energie auf Repressalien gegen die Journalisten von netzpolitik.org.

Regierungsfehler lassen Merkel unberührt

All dies legt den Blick frei auf einen Staat, der an den Grundfesten mehr und mehr an Substanz verliert. Doch dieser Substanzverlust an unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft wird - weil schleichend - nur unzureichend wahrgenommen. Es sei denn, die Aufregung über niedrige Wahlbeteiligung schlägt die üblichen Kurzzeitwellen. Und - dieses multiple Staatsversagen wird eben nicht Angela Merkel angekreidet. Ihr gelingt es bis heute ununterbrochen, über den Untiefen des politischen Alltags zu schweben, als würde ausgerechnet sie keine Verantwortung für die Kette von Versagen und Fehlleistungen der Regierung tragen.

Wie dies möglich ist wird insbesondere an dem Mobilisierungs-Versagen der digitalen Bürgerrechtsbewegung deutlich, welche trotz offenkundigen Regierungs-Versagens der Bundesregierung es bisher nicht geschafft hat, eine soziale Bewegung für Freiheit, Transparenz und digitale Bürgerrechte auf den Weg zu bringen. Im Gegenteil - der Staatsapparat ist sogar in der Lage, die Schwäche der Opposition derart auszunutzen, dass nicht nur Journalisten unter Druck gesetzt werden. Ein Widerstand gegen Massenüberwachung und für Kontrolle der Geheimdienste ist nicht spürbar im politischen System.

Digitale Bürgerrechtsbewegung ohne politische Strategie

Was der digitalen Bürgerrechtsbewegung im Kern fehlt, ist die gemeinsame Ausrichtung auf eine politische Auseinandersetzung. Populäre Gruppen und Vereine wie z.B. der Chaos Computer Club oder Amnesty International weigern sich konsequent gegen die Bundesregierung und Angela Merkel auf die Straße zu gehen. Die Orte, an denen massenhaft Grundgesetz gebrochen und Völkerrecht verletzt wird, sind im wesentlichen unberührt von Aktionen des politischen Widerstandes. Die digitale Bürgerrechtsbewegung verliert sich in kindischen Selbstkonflikten und pubertären Blog-Artikeln. Der Schritt hin zu einer erwachsenen Auseinandersetzung mit dem Staat über die Zukunft der demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft ist nicht in Sicht. Genau dies aber ist der Anti-AKW- und Energiewende-Bewegung  in den 80er Jahren gelungen - mit durchschlagendem gesellschaftlichen und politischen Erfolg.

Wie schädlich die unpolitische Sichtweise auf Regierungsversagen bis hin zu einer Ablehnung demokratischer Organisationen ist, macht Michael Meyer-Resende deutlich: "Die Antwort auf die Frage nach Demokratie in der Internet-Ära ist, demokratische Institutionen zu stärken, sie transparenter zu machen und sie zur Rechenschaft zu ziehen." Womit in einem Satz eine dreistufige Agenda für den politischen Widerstand umrissen wäre.

Merkel-Kanzlerschaft als Demokratie-GAU

Angesicht dieser Agenda ist gerade die drohende Kanzlerschaft Merkels mit einer absoluten Bundestags-Mehrheit nichts anderes als ein Demokratie-GAU. Man mag sich unter einer solchen Konstellation weder einen NSA-Untersuchungsausschuss noch einen Generalbundesanwalt vorstellen - beides mit der Rückendeckung eines Unions-dominierten Parlaments. Die Verheerungen für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft wären auf Jahre nicht wieder aufzuarbeiten.

Konsequenterweise müsste jetzt die digitale Bürgerrechtsbewegung auf Angriffsmodus schalten. Die desaströsen Folgen von 'vier Jahre Merkel allein im Haus' müssten schonungslos aufgezeigt werden. Und für die politischen Alternativen, für die Parteien, die sich der liberalen, offen und transparenten Gesellschaft verschrieben haben, müsste endlich die politische Arena bespielt werden. Denn wer sich nun aus Bequemlichkeit oder Opportunität politisch kastriert, bahnt dem gesellschaftlichen Rückfall in die Adenauer-Ära den Weg.

Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 02. August 2015 um 13:08 Uhr